Science-Story ➜ Phasenwechselmaterialien als Temperaturpuffer

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Videobericht zum Projekt SWE-eT

Prof. Mathias Nowottnick und Dr. Jacob Maxa geben einen Einblick in das Projekt SWE-eT.

Latente Wärmespeicher sind Materialien, die bei einem Phasenübergang, z.B. von fest nach flüssig, Wärmeenergie aufnehmen und später beim Rückübergang wieder abgeben. Ein bekanntes Beispiel sind die sogenannten „Handwärmer“, die durch Auslösen dieser Reaktion zuvor gespeicherte Wärme abgeben.

Das Projekt SWE-eT macht diesen Effekt zur Kühlung elektronischer Komponenten in Form einer Beschichtung praktisch nutzbar. In Hochlastphasen produzierte Wärme kann so abgeführt und die Komponente vor Überhitzung und Zerstörung geschützt werden. Später – bei weniger Last und damit geringerem Kühlbedarf – wird die Wärme dann von der Beschichtung wieder abgegeben. Insbesondere bei Schaltvorgängen und bei regelmäßigen Lastspitzen kann so eine passive, wartungsfreie und energieeffiziente Kühlung realisiert werden.

Aufbauend auf den am Lehrstuhl geleisteten Vorarbeiten wird dieses erfolgversprechende Verfahren nun in Richtung industrielle Anwendbarkeit weiterentwickelt.

Das Video wurde erstellt von Tom Laase (Konzept, Regie und Schnitt) und Tobias Maibaum (Kamera) im Rahmen ihrer zweijährigen Berufsausbildung zum Cross-Media-Redakteur am medien colleg rostock des Instituts für neue Medien gGmbH Rostock und am 04.06.2018 bei YouTube veröffentlicht. Lizenz: Creative Commons-Lizenz mit Quellenangabe (Wiederverwendung erlaubt)

Schutz-Schicht mit Temperatur-Puffer für Bauelemente

Test-Leiterplatte für Temperaturpuffer

Im Projekt SWEeT wurden spezielle Schutzschichten entwickelt, die durch einen Phasenwechsel (Phase Change Materials) den Temperaturanstieg elektronischer Bauelemente begrenzen.

Dieser Effekt kann z.B. für Bauelemente der Leistungselektronik zum Schutz vor Überhitzen genutzt werden.

Im Bild: links oben Widerstände mit Temperaturpuffer, links unten Widerstände ohne Temperaturpuffer, rechts Temperaturverteilung (Scan mit Thermokamera)

SWE-eT – „Wärmespeichernde Beschichtungen für effiziente, kompakte Leistungselektronik der nächsten Generation“ ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes Verbundprojekt am Lehrstuhl von Prof. Mathias Nowottnick.

Projektpartner sind: Siemens AG (Berlin), IMG Electronic & Power Systems GmbH (Nordhausen), Peters Research für Elektroniklacke GmbH + Co KG (Kempen) und Polytec PT GmbH (Waldbronn). Projektträger ist die VDI/VDE Innovation+Technik GmbH (Berlin).

Schmelzen und Abkühlen der Beschichtung

Als Latentwärmespeicher wird u.A. Erythritol (Erythrit) verwendet. Dieser Zucker-Austauschstoff hat seinen Schmelzpunkt im benötigten Temperaturbereich und ist kostengünstig verfügbar.

Durch verschiedene Beimischungen kann der Schmelzpunkt in bestimmten Grenzen verändert und so optimal an die gewünschte Betriebstemperatur der Schaltungen angepasst werden.

Durch die für die Beschichtung eingesetzte Menge an Erythritol kann bestimmt werden, welche Menge an Energie beim Aufwärmen aufgenommen und damit gepuffert werden kann.

Da die Größe des so hergestellten Temperaturpuffers insgesamt vom verfügbaren Platz auf der Leiterplatte und im Gehäuse abhängig ist, eignet sich diese Methode der passiven Kühlung insbesondere, um thermische Spitzen beim Einschalten von Bauelementen oder beim zyklischen Schalten abzumildern.

Der Vorteil ist, dass dieses Verfahren ohne elektrisch aktive Baugruppen auskommt und nicht auf eine Luftzirkulation angewiesen ist. Damit ist das Verfahren auch in gekapselten Baugruppen z.B. in chemisch aggressiven Umgebungen sowie in Unterwasser-Geräten oder im Weltraum einsetzbar, wo kein oder nur ein begrenztes Luftvolumen zur Verfügung steht.

Die beiden Videos zeigen das Schmelzen und Kristallisieren (Erstarren) der Erythritol-Beschichtung auf der Versuchsleiterplatte aus dem oberen Bild im Zeitraffer.

Kristallisation beim Abkühlen

Das Video zeigt den Kristallisationsvorgang des Erythritols beim Abkühlen und Erstarren in einem hochauflösenden Lichtmikroskop in Echtzeit.

Temperaturmessungen

In der Versuchsanordnung wird die Temperatur beim Aufheizen und Abkühlen mit einem Thermoelement direkt am Bauelement (hier ein Widerstand) gemessen.

Das Thermoelement ist unterhalb des grauen Klebepunktes, die sich unter dem Latentwärmespeicher (hier wurde kein Erythritol verwendet) verbirgt. Es dient als Messfühler für die Temperaturmessung und liegt direkt auf dem Widerstand aus den oberen Bildern.

Die gelbe Kurve zeigt das Temperaturverhalten des Bauelements mit Latentwärmespeicher-Beschichtung. Die rote Kurve zeigt als Vergleich den Temperaturverlauf an einem unbeschichteten Bauelement.

Gleichzeitig wird der Vorgang mit einem Mikroskop beobachtet.

Thermografie-Messungen

Bei dieser Versuchsanordnung wird die Aufheizzeit eines Transistors bis zu einer vorgegebenen Zieltemperatur im zeitlichen Verlauf gemessen. Bei Erreichen der Zieltemperatur wird das jeweilige Bauelement abgeschaltet und die Abkühlphase ebenfalls vermessen. Das Video zeigt dieses Experiment in Echtzeit.

An den vier Messstellen sind jeweils ein Bauelement ohne Beschichtung mit PCM (Phasenwechselmaterial), mit PCM in einer Umhausung, mit PCM in einem das PCM einschließenden Trägermaterial sowie mit PCM mit Beimischung eines Additivs zur Verbesserung der Wärmeleitfähigkeit auf der Leiterplatte platziert.

Die vier Messstellen erreichen die Zieltemperatur zu unterschiedlichen Zeiten. Durch Versuchsserien mit verschiedenen Gehäusestrukturen, verschiedenen Trägermaterialien zum Einschließen des PCM sowie verschiedenen Beimischungen von Wärmeleit-Additiven können die bestmöglichen Konfigurationen ermittelt werden.

 

SiC Messung ohne PCM und mit verschiedenen PCM-Konfigurationen

Messkurve einer Thermografie-Messung (1)

Die Grafik zeigt den Temperaturverlauf für die vier verschiedenen Messstellen aus einer anderen Messung. Das ungeschützte Bauelement (ohne PCM) erreicht erwartungsgemäß zuerst den kritischen Temperaturwert, bei dem es abgeschaltet werden muss. Alle drei Varianten mit PCM erlauben einen längeren Betrieb der Bauelemente, bis diese dann auch die Abschalttemperatur erreichen.

Die Untersuchungen mit verschiedenen Trägermaterialien, in die das PCM eingeschlossen wird, dienen der Suche nach Konfigurationen, bei denen das PCM ohne ein zusätzliches Gehäuse (als extra Bauteil) auf die Bauelemente aufgebracht werden kann. Man kann das verwendete PCM Erythritol z.B. mit Silikon oder bestimmten Lacken mischen. Das PCM ist in diesen Stoffen nicht löslich, sondern bildet in diesen Mischungen kleine Tropfen, die vom Trägermaterial umschlossen und damit eingebettet werden. Auf diese Weise entsteht eine stabile, aber elastische Masse, die ohne Gehäuse auf die Leiterplatte aufgebracht werden kann.

Da Erythritol selbst keine gute Wärmeleitfähigkeit besitzt, sondern eher wie ein Dämmstoff wirkt, wurde ebenfalls mit Beimischungen von keramischen und metallischen Werkstoffen experimentiert, die die Wärmeleitfähigkeit des PCM erhöhen und so eine bessere Wärmeabfuhr und Wärmeverteilung im verwendeten Reservoir an PCM herbeiführen sollen. Diese Messstelle erreicht jeweils zuletzt die kritische Abschalttemperatur und zeigt im Vergleich mit den beiden anderen Varianten (reines PCM in einem Gehäuse und PCM in einem Trägermaterial), dass diese Beimischung eine deutliche Verbesserung der Wirksamkeit des eingesetzten PCM als Wärmepuffer zur Kühlung der Bauelemente herbeiführt.

SiC Messung ohne PCM und mit verschiedenen PCM-Konfigurationen Bild 2

Messkurve einer Thermografie-Messung (2)

Bei diesen Messkurven aus einer vergleichbaren Messung wurden die Zeitdifferenzen zwischen den vier Varianten eingetragen. Sie zeigen, wie durch verschiedene Konfigurationen der Einsatz des Erythritols als Wärmepuffer noch wirksamer gestaltet werden kann.

   

Prof. Dr.-Ing. habil. Mathias Nowottnick

Lehrstuhl Zuverlässigkeit und Sicherheit elektronischer Systeme

   
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